Jan Kolata

Über den Künstler

geboren in Immenstadt im Allgäu

1970-77     Studium an der Kunstakademie Düsseldorf

1975          Meisterschüler von Prof. Erich Reusch

1975-76     Cité Internationale des Arts, Paris

1988          Norwegen-Stipendium Kultusminister Nordrhein-Westfalen

1989          Malereisymposium Celje, Slowenien

1990          UdSSR-Reisestipendium

1991          Villa-Romana-Gastatelier, Florenz

1992-93     Arbeitsstipendium Kunststiftung Rotterdam und Stadt Düsseldorf;    

                  Atelier in Rotterdam

1994          Cité Internationale des Arts, Paris, Gastatelier;

                  Mitbegründer der Ateliers Höherweg e.V.
                 mit internationalem Gastatelier, Düsseldorf

2000          Kunst-und-Bau-Wettbewerb Fachhochschule Bochum, realisiert

2006-16     Professur für Malerei, Technische Universität Dortmund

2009          2. Forum Architektur Design Kunst China Deutschland,
                  Gastvorträge an Universitäten und Kunstakademien
                  in Wuhan, Xi´an und Peking

2010          Gastprofessur an der Shaanxi Normal University, Wuhan, China

2012          Gastprofessur an der Art University, Chengdu, China

2023          „Kunstpreis der Künstler“, DIE GROSSE, Kunstpalast Düsseldorf

2024          Kunstpreis Oberallgäu, Oberstdorf

lebt und arbeitet in Düsseldorf

„Jan Kolata zählt mit seinem umfangreichen und differenzierten Oeuvre zu denjenigen Malern, die in hoher Konzentration und Intensität über einen langen Zeitraum hinweg nach den Bedingungen von Malerei fragen. Die Bilder zeigen dies in einem sehr materialkräftigen, fast expressiven Duktus, an der Grenze zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Kolatas Bilder sind nie in einem oberflächlichen Sinne fertig, sie zeigen, wie sie gemacht werden. In ihnen treffen wir auf eine Malerei, die gleichermaßen konzeptuell wie delikat in Erscheinung tritt.“

Richard Hoppe-Sailer

FARBFLÜSSE UND KOLORISTISCHE SCHWEMMLANDSCHAFTEN

Über die Malerei von Jan Kolata
Prof. Dr. Christoph Schreier

Nach Ansicht von Eugène Delacroix, einem der Gründungsväter der Moderne, existieren eigentlich nur zwei Arten von Maler*innen: die Koloristen, die der Farbe den Vorrang in der Bildorganisation zuweisen, und die ‚Beleuchter‘ oder, noch negativer, die ‚Anstrei­cher‘, für die der Bildraum vorrangig ein Auftrittsort plastischer Formen ist, die dann nur noch illuminiert oder koloriert werden müssen. Sieht man einmal von den polemischen, deutlich anti­ klassizistischen Spitzen des Romantikers Delacroix ab, dann mag diese Kategorisierung auch zur Einordnung des Werks von Jan Kolata dienen, dessen Malerei mit Sicherheit der Seite des Kolorismus zuzuschlagen ist. Denn lineare, konturbetonte Formen wird man in seinen Arbeiten eher vergeblich suchen. Nichts deu­tet auf eine plastische Verfestigung des Bildinventars, weshalb der Aggregatzustand seiner Kunst, dies zeigt schon ein erster Blick, eher als ‚flüssig‘ zu beschreiben wäre.

Faktisch praktiziert Kolata seit seinem Abschied von der Ölmalerei in den 1990er­ Jahren eine lasierende Nass-­in-­Nass­-Malerei, die im Prinzip nur zwei Konstanten kennt: ein vorab festgelegtes Farbspektrum und das Bildformat – oft in dem für ihn noch handhabbaren Maß von 190 × 190 Zentimetern. Letzte­res, also die Bildfläche, ist die Arena für einen Malprozess, der in aller Regel auf dem Boden seines Düsseldorfer Ateliers statt­ findet. (01) Dabei wird die stark verdünnte Acrylfarbe auf die noch ungerahmte Leinwand gegossen und anschließend mit Hilfe von Bürsten, Schwämmen, Wischern und Hochdruckreinigern(!) – da ist Kolata kaum weniger erfinderisch als seinerzeit Hans Hartung (02) – über den Bildgrund verteilt.
Mehr als die immaterielle Farb­erscheinung interessiert ihn, wie es scheint, die fließende Stoff­lichkeit, die Beweglichkeit des Farbauftrags, weshalb er in einem Interview, anknüpfend an eine Aussage von Robert Ryman, auch meint, ihm ginge es zuallererst um das ‚Malen des Malstoffs‘. (03)

Dies geschieht in eng verzahnten, mehrteiligen Arbeits­schritten, die, ohne Rückgriff auf Entwürfe, nach dem Prinzip ‚Aktion – Reaktion‘ ablaufen. Auf jeden gestalterischen Eingriff folgen erweiternde, korrigierende, ja, annullierende Handlun­gen, (04) in denen der Künstler – der mitnichten der absolute Souve­rän des Bildgeschehens ist! – eine spontane Reaktionsfähigkeit unter Beweis stellen muss. Und sie ist für die Bildwerdung auch dringend vonnöten, da der Farbfluss immer seinen eigenen, physikalischen Gesetzen folgt. Sie zu regulieren gehört zu den zentralen Gestaltungsaufgaben Kolatas, der das Ziel verfolgt, eine subtile Balance zwischen den glücklichen Fügungen des Zufalls und einer immer notwendigen Kontrolle der Bildprozesse herzustellen.

Damit sind die beiden Prinzipien, die in dem Malstrom seiner Malerei wirksam sind, benannt. (05)
Jenseits jeder geometrischen Struktur agierend flutet Kolata die Leinwand flächendeckend und verwandelt sie damit in eine Schwemmlandschaft der Far­ben, in der alles in Bewegung zu sein scheint. Kolata inszeniert ein malerisches panta rhei, in dem die Farbflüsse, im Gegensatz etwa zu den Gießungen des amerikanischen Farbfeldmalers Morris Louis, keine klare Bewegungsrichtung zeigen. (06) Woher und wohin sie fluten, bleibt hier ebenso offen wie ihre Lagerung im Schichtengefüge des Bildes, in dem Farben mal auf­, dann aber auch wieder abtauchen können.

Das beschreibt die Grundbewegung seiner Gemälde, die eine partielle Verselbständigung von Teilmotiven aber nicht unbedingt auszuschließen braucht. Ein Beispiel hierfür ist das Acrylbild 190.190.2021.02, das von einem wie eingefroren wirkenden, rot­gelben ‚Pinselwischer‘ beherrscht wird. Ergeb­nis wohl eines raffinierten Aussprengverfahrens, schwimmt er auf vertikalen, streifig angelegten Pinselzügen, fast wie eine Seerose auf einem späten Werk des Impressionisten Claude Monet, dessen Bildwelt ähnlich wandelbar und unergründlich ist wie die des Jan Kolata. In seinen Gemälden wird eine Übergängigkeit zur Anschauung gebracht, vor der jede sprachliche Systematisierung kapitu­lieren muss. Benennbarkeit setzt nämlich eine ausgrenzende Identifizierung von Bildmotiven voraus, die selbst in Arbeiten wie 190.190.2021.02 nicht gegeben ist: Die eben beschriebe­nen, gelbroten Farbwischer benötigen das Biotop der weiten Bildfläche ebenso wie die Seerose das Wasser ihres Teichs. Es wäre sinnlos, sie isoliert zu betrachten.

So verbindet sich bei Kolata letztlich alles mit allem, mit dem Nebeneffekt, dass das Auge in der Betrachtung der Werke stets in Bewegung bleibt, ihm immer Neues geboten wird. Das kann unser Sehen speziell in den raumfüllenden, panorama­tischen Großformaten, die den Betrachter – ähnlich wie die Seerosenbilder Monets − komplett umfangen, an die Grenze sei­ner Aufnahmefähigkeit führen, doch werden wir es im Gegenzug sicher genießen, uns, geleitet von den ‚Sensations colorantes‘ (Cézanne), durch die Bilder treiben zu lassen. Sie kennen im Grundsatz keine visuellen Haltepunkte, da sich Malerei in ih­nen als Prozesskunst definiert. In ihrer Anschauung werden wir Augenzeugen einer elementaren Malerei, die zuweilen Natur­assoziationen aufruft, von Ferne an mikro-­ oder makroskopische Welten denken lässt, zugleich aber immer bei sich selbst bleibt. Das hat nichts mit starrer, ja störrischer Selbstbehauptung in digitalen Zeiten zu tun, eher exemplifiziert Kolata Malerei als unerschöpfliches, immer produktives Potential, das in seinen Werken – wie in einer Momentaufnahme – temporär Gestalt gewinnt.
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01 — Diese Werkgenese sieht man den Arbeiten auch dann noch an, wenn sie an der Wand installiert sind. Zuweilen hat man den Eindruck, dass sie nicht nur vis ­à­ vis wahrgenommen werden wollen, sondern auch eine Aufsicht auf die mäan­dernden Farbbewegungen bieten.
02 — Hans Hartung, einer der Begründer des Informel, verfügte in seinem südfran­zösischen Atelier über ein ganzes Arsenal von malerischen Hilfsmitteln, um unter Vermeidung des Pinsels die Farbe auf die Leinwand aufzutragen.
03 — Siehe:„Kalte Füße,  falsche Fragen. Oder die Frage nach dem springenden Punkt“, in: Jan Kolata – Malstrom, Dort­ munder Schriften zur Kunst. Kataloge und Essays 34, 2017, S. 138.
04 — Hierzu dienen vor allem die Wischer, die die Farbe abziehen und solchermaßen fast skulptural in die Bildgenese eingreifen.
05 — Dies ist auch der Titel einer Publi­ kation Kolatas aus dem Jahr 2017. Siehe Anmerkung 3.
06 — Dies schließt für die ja oft quadra­tischen Gemälde Kolatas auch eine klare Orientierung auf ein ‚oben‘ und ‚unten‘ aus. Oft entscheidet der Künstler die Ausrich­tung der Bilder erst vor der Hängung.

Bei uns präsentiert 2024 in der Ausstellung “Farbe & Ding”